Ich ziehe Linien, zeichne auf, unaufhörlich. Alle meine Entscheidungen bilden zusammen eine lange, windende Linie die sich hinter mir herzieht. Die Linie verformt sich, bildet Maschen. Es sieht so einfach aus, die Fäden greifen vertrauensvoll in einander, Reihe nach Reihe. Als hätte es damals keine Zweifel gegeben, keine Unsicherheiten, kein verknotetes Wirrwarr oder verhedderte Wollknolle.
Dann diese Störung. Der Draht schiebt sich in das Holz; das Holz verschluckt den Draht. Der Stamm bildet dicke Wülste wo er an den Draht trifft, zum Selbstschutz, um zu überleben. Weich über hart. Draht gegen Stamm. Die Stelle ist für alle sichtbar. Unmöglich wegzuschauen, so zu tun als wäre da kein Zaun, keine Wunde.
Es wäre so einfach; nur nicht hinschauen. Dabei würde ich so viel verleugnen müssen was mir wichtig ist. Wir reden vieles schön. Meistens unbewusst, weil die Wahrheit zu sehr wehtut. Die Wunde ist immer präsent. Was hast du von mir erwartet? Das ich mich an die Regel halte? Pech gehabt. Ich bin stachelig. Was willst du dagegen tun?
Aus eigener Feder 12 Drawings, 2016 Ink on Paper, 46x64 cm
Die Feder, ein der ersten menschlichen Schreibwerkzeuge, wird hier selber zum Bildmotiv. Das schreiben ist mein Weg, mich selber besser zu verstehen. Ich schreibe und versuche dabei mich einige Eigenschaften der abgebildeten Vögel anzueignen. Jeder Linie ist gleichzeitig Linie und geschriebene Text. Dadurch wechseln die Bilder immer wieder zwischen Bild und Text sein, je nach dem wo man sich als Betrachter befindet.
Das Perlhuhn, klein und süß, aber wirklich nicht einer der intelligentere Vögel, zeigt mich so deutlich das was ich nicht länger sein will. Ich möchte nicht süß sein. Deutlich wird aber auch wie viel Angst ich davor habe, nicht süß zu sein. Geprägt von eine Gesellschaft der sich gerne mit schöne Frauen schmückt aber nicht will das sie gehört werden, habe ich viel zu lange mitgespielt. Ich möchte viel lieber wie der Möwe meine Kindheitsstrände sein, frech und laut. Einer der keine Angst hat Möglichkeiten zu nutzen, und wenn keine Möglichkeiten da sind, sich eigene schafft. Wie der Möwe bin ich schnell und mutig. Am aller wichtigsten ist aber der Eichelhäher. Von ihm leihe ich mich eine starke Stimme aus. Ich brülle, sage was ich denke und stehe dazu. So weit bin ich gekommen, daran möchte ich festhalten - eine laute Stimme zu haben, die nicht zum schweigen gebracht wird.
90° Ink on Paper, 2012 Size variable
Eine Ecke, der Punkt wo man durch eine simple 90 Grad-Drehung in etwas unbekanntes tritt. Ein, zwei Schritte, eine Drehung, Neuland. Ich wollte beide Seiten als neben einander gleichzeitig existierende Bereiche darstellen. Und so stand ich an der Ecke. Mein Papier, sonst immer flach vor mich liegend, war plötzlich eine Herausforderung, um 90 Grad gebogen. Die linke Bildhälfte war nur mit meiner linke Hand möglich zu zeichnen, die Rechte mit rechts. Wie stelle ich tiefe dar, wenn mein Papier schon „von mir verschwindet“? Von Zentralperspektiv war nichts mehr zu spüren, jede Linie eine Herausforderung.
Die fertigen Bilder gewinnen ihre Charakter erst dann wieder, wenn sie auch als Objekte präsentiert werden, um 90 Grad gebogen.
Oma häkelte (nicht) Pencil on Paper, 2012-13 4 Drawings, 100x170 cm
Ein Beutel voll mit Häkelspitzen, geerbt von meiner Oma, ist zum Ausgangspunkt für mehrere Arbeiten geworden. Jahrelang traute ich mich kaum, etwas damit anzufangen, die Spitzen waren mir zu fein, zu wertvoll. Dann fing ich an mich zu fragen, warum daraus nie Bettwäsche geworden ist. Mein erster Annäherungsversuch war, riesengroße Zeichnungen von Omas Häkelspitzen zu machen. Als ich zeichnete, passiert etwas. Die Häkelspitzen fingen an, menschlich zu werden. Ihre traurigen „Augen“ schauten mich an, blickten zurück, gebückt unter die Erinnerungen die sie speichern.
Im leise Rascheln der Zeichnungen schwebte meine Gedanken davon Drawing Performance, 2012 Pencil on China Paper
WurzelReich Ink on Paper, 2011 7 Drawings, 46x64 cm
Wurzelreich ist eine Arbeit über Zugehörigkeit. Der Wald mit dünnen Bäumen, die schnell in Richtung Licht wachsen, sind für mich wie ein Sinnbild meines Lebens. So fühle ich mich oft: Gefährdet, sollte ein starker Sturm mich überraschen, in ständigem Kampf mit all den anderen Bäumen, um als erste ans Licht zu kommen. Die Linien der Zeichnungen bestehen aus handgeschriebenen Zeilen. Wenn man nah genug kommt, kann man die Worte lesen. Sie sind alle in meiner Muttersprache geschrieben. Nur auf Schwedisch konnte ich völlig ungehemmt meine Gedanken formulieren. Festgehalten sind meine Erfahrungen als Ausländerin, mein Streben, hier Fuß zu fassen und Wurzeln zu bekommen.
Wie Unkraut Ink on Paper, 2004 4 Drawings, 46x64 cm
Die Bilde/Texte zeigen Samen von Unkrautpflanzen. Der Text ist einer Niederschrift von negativen Gedanken. Wie Unkraut haben diese Gedanken die Kraft, sich zu verbreiten, schönere Gefühle zu verdrängen und den Kopf auszufüllen. Genau wie Unkraut sind sie auch schwer loszuwerden. Als ich beim Schreiben war, wurde es nach und nach immer schwieriger, nur schlechte Gedanken aufzuschreiben. Mein Kopf suchte sich andere Themen. Die Texte fingen an, positivere Gedanken und Möglichkeiten zu behandeln. Mein Gehirn hatte ein Weg gefunden, einen Frühjahrsputz zu veranstalten.
Schichtkraut Pencil on Paper, 2005 Drawing Objects 20x27 cm
Die Zeichnungen zeigen Blumen, die aufgehen, blühen und verwelken. Sie wurden so zusammenmontiert, dass man von der einen Seite eine Knospe sehen kann, von der anderen eine verwelkte Blume. Dazwischen liegen all die anderen Stadien, nur teilweise sichtbar. Wie Filmstills überlagern sich die Bilder, hinterlassen ein Spur auf der Retina. Genau wie die Zeit unsere Erinnerungen teilweise überschreibt, überdecken sich Teile der Blätter. Mich interessierte, wie es ist, wenn es keinen „perfekten“ Standpunkt zu Betrachtung des Kunstwerkes gibt, wenn es mehr gibt, als man auf den ersten Blick erfassen kann.